Michael Zinganel
"Der Häuslbauer realisiert ein Bild vom Haus, das untrennbar mit dem Bild der
Familie verknüpft ist und diese auch bezüglich ihres sozialen Status in die jeweils
angestrebte Nachbarschaft integriert."
Irene Nierhaus
Das traditionelle "Bild vom Haus" wie auch die Festlegung der Geschlechterrollen in diesem Haus wurde lange vor 1945 in der Heimatschutzbewegung und danach in den Siedlungskonzepten des Nationalsozialismus als dezidiert antimodern und antiurban durchgesetzt und in den unmittelbaren Wiederaufbaujahren nach dem Krieg weiter gefestigt. Nach der staatlichen Konsolidierung Österreichs ermöglichten Förderungsmaßnahmen und Finanzierungsmodelle in zunehmendem Maße die Realisierung dieses "Bildes" für die breite Masse.
Dieses konventionelle "Bild vom Haus" repräsentiert daher auch ein stabiles Bild von Erwerbsleben und Familie. Familiäre Ressourcen oder Haushaltseinkommen legen die Grundstückswahl, die Größe des Hauses, den Ausstattungsstandard usf. fest. Mangelnde Finanzierungskraft lässt sich durch hohe Eigenleistungsanteile ausgleichen. Die Organisation der eigenen Baustelle und die Abwicklung in Nachbarschaftshilfe führen zu einer extrem hohen Identifikation mit dem Haus. Bauen kann zudem auch als Distinktionsstrategie begriffen werden: es gibt keinen besseren schlagkräftigeren Beweis zu vermitteln, dass man imstande ist ein solch umfangreiches Werk als ureigene Leistung zu realisieren - allen möglichen Widrigkeiten im Erwerbsleben zum Trotz. Die jahrelangen Entbehrungen und Opfer finden ein glaubwürdiges Argument: die Familie, für die es gilt, eine solide und sichere Behausung für Generationen zu schaffen.
Es mag pathetisch erscheinen, sich gerade gegen Ende des Jahrtausends der Kulturgeschichte des Einfamilienhauses als Massenphänomen anzunehmen, so als ob es nach dem Versuch einer Historisierung einfach ad acta zu legen wäre. Aber eine akademische Außensicht könnte uns glauben machen, dass sich Erwerbsbiographien und Familienstrukturen derart dramatisch verändern, dass das neu errichtete Eigenheim bald ein Auslaufmodell darstellen sollte. Tatsächlich stagniert der Neubau-Markt. Zum einen wohnt bereits die Hälfte der Österreicher im Eigenheim und wird dieses an die Nachkommen vererben. Zum anderen droht die Öffentliche Hand die Förderungsmittel zu kürzen, während gleichzeitig die Baukosten und vor allem die Grundstückskosten steigen, letztere in jenen Regionen, die sich durch wirtschaftliche Dynamik auszeichnen. Wenn die Höhe der Rückzahlungsraten ansteigt und daher entsprechend hohe Haushaltseinkommen über den Rückzahlungszeitraum gehalten werden müssen, kann auch eine vorübergehende Arbeitslosigkeit unmittelbar in die Zahlungsunfähigkeit führen. 40 % der Ehen zerbrechen nach einer Halbwertszeit von 11,5 Jahren. Die Risiken eines Scheiterns der Realisierung des Traum nehmen zu. Parallel dazu scheint sich in zunehmendem Masse ein Secondhand-Markt für Einfamilienhäuser zu bilden: vererbte Objekte aus den 50er Jahren werden schon seit geraumer Zeit zum Kauf angeboten, jene aus 60er, 70er Jahren werden folgen. Aber auch gerade erst fertig gestellte Neubauten und Rohbauten von Familien, die es nicht geschafft haben, wollen nun von anderen bewohnt werden.
Zudem ließen sich die verloren gegangenen handwerklichen Fertigkeiten und der Boom der Fertighausindustrie als Indizien dafür interpretieren, dass der Österreicher sich sein Häusl in Zukunft womöglich nicht mehr selber bauen wird.
Aber allen klugen Thesen zum Trotz werden in Österreich weiter Einfamilienhäuser gebaut und die Wohnzufriedenheit im Eigenheim wird von allen Wohnformen die höchste bleiben. Der Schlüssel zum Verständnis ist in den Motiven der Häuslbauer zu suchen.
Eine Kulturgeschichte des Häuslbauens in Österreich nach 1945 darzustellen, kann daher nicht bloß ein Nachzeichnen architektur-morphologischer Entwicklungen, sondern auch der politischen, sozialen, psychologischen, ideologischen und ökonomischen Vorbedingungen, die den nachweisbaren Bedarf nach dem freistehenden Einfamilienhaus am Land erst erweckt und das "Bild vom Haus" konstituiert und weiterentwickelt haben.
Wer sich dem Häuslbauen allerdings nur auf akademischer Ebene zu nähern versucht, wird dem Phänomen, auch wenn er sich Quellen aus unterschiedlichen Disziplinen bedient, nicht gerecht werden. Denn erstens gibt es ausgewiesene Experten für das Häuselbauen in Österreich im akademischen Diskurs schlichtweg nicht und die wenigen relevanten Arbeiten behandeln entweder nur Teilgebiete oder regionale Ausschnitte. Meinungsforschungsinstitute sind in erster Linie ihren Auftraggebern verpflichtet, also Banken, Bausparkassen, Bau- und Fertighausindustrie, der staatlichen Wohnbauförderung oder etwa der Architektenkammer, die verloren geglaubte Märkte zurückerobern will, nicht aber den Häuslbauern selbst.
Und zweitens: Wer immer über dieses Thema arbeitet, nähert sich einem Haus nicht nur als Objekt, sondern auch als Repräsentant einer individuellen Erfahrung, die untrennbar mit dem Lebenshintergrund der Menschen, die es erbaut haben und die es bewohnen, verbunden ist. Diese Erfahrung kann weder experimentell nachgelebt noch authentisch vermittelt werden. Wahre Einsicht eröffnet sich erst dem, der selbst vom Hausfieber gepackt wird!